Nach mehr als zwei Jahrzehnten bei der Bavaria geht Produzent Alexander Ollig in den Ruhestand. Vor allem „Die Rosenheim-Cops“ hat er maßgeblich geprägt. Ein Gespräch über das Loslassen.
© Linda Gschwentner
Lieber Herr Ollig, die “Rosenheim-Cops” laufen seit 2002 im Fernsehen, mehr als 555 Folgen in 23 Staffeln wurden ausgestrahlt. Die Produktion gilt mit regelmäßig mehr als fünf Millionen Zuschauern als erfolgreichste Vorabendserie des ZDF. Ohne Zweifel haben Sie Fernsehgeschichte geschrieben. Was ist das für ein Gefühl, in diesem Bewusstsein nun Abschied zu nehmen?
Es ist ein wahnsinniges Glück, dass ich die “Rosenheim-Cops” so lange Zeit verantworten und gestalten durfte. Die “Rosenheim-Cops” fielen 2003 in meine Verantwortung, damals war ich noch Redakteur Serien & Reihen beim ZDF – und es war Liebe auf den ersten Blick. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass in der Serie noch vielmehr Potenzial steckt. Jetzt, nach mehr als 20 Jahren, davon 15 Jahren als Produzent, loszulassen, ist natürlich nicht leicht. Aber ich denke, jedes Berufsleben hat irgendwann ein Ende, und ich kann mit großer Dankbarkeit auf diese Zeit schauen.
Sie sagten, Sie hätten zu Beginn auch das Gefühl gehabt, dass damals noch gar nicht alle Schätze gehoben waren. Wie meinen Sie das?
Die Serie war von Anfang an charmant, aber vieles war noch nicht zu Ende gedacht. So war die Figur der Marie anfangs klischeehaft angelegt: eine Frau Anfang 30, die ihrem Bruder den Haushalt führt? Das fühlte sich aus der Zeit gefallen an. Also haben wir Marie mehr berufliche Eigenständigkeit gegeben und sie zur Stadträtin gemacht. Ähnlich war es bei der Sekretärin Frau Stockl, die wir von einer passiven Rolle zu einer aktiven, selbstbewussten Kollegin im Ermittlerteam weiterentwickelt haben. Auch die Einführung eines nicht-bayerischen Kommissars war ein Meilenstein, denn so konnten sich beispielsweise auch Hanseaten mit der Serie und den Charakteren identifizieren.
Sie sind 2003 vom ZDF zur Produktion gewechselt und waren seit 2009 dann gesamtverantwortlicher Produzent. Wie haben Sie es in dieser langen Zeit geschafft, die Serie immer auf der Höhe der Zeit zu halten?
Man muss ständig innovativ bleiben, ohne die Essenz zu verlieren. Das bedeutet auch, mutig zu sein, neue Autoren und Regisseure auszuprobieren und sich nicht zu scheuen, Dinge zu verändern. Bei uns war immer klar: Wenn wir das Gefühl hatten, dass sich die Serie insich (zu sehr) wiederholt, haben wir gehandelt – bevor es der Zuschauer merkt. Denn dann ist es zu spät. Wir haben neue Charaktere, neue Handlungsstränge oder andere Drehorten etabliert.
Hast Du ein Beispiel?
Große Bedeutung hatte sicher die Etablierung des „Times Square“, einer modernen Bar als Treffpunkt. Früher gab es das ‚Rosenbräu‘, eine bayerische Gastwirtschaft, die sehr traditionell war. Wir wollten aber ein modernes Setting, das auch Zuschauer außerhalb Bayerns anspricht, und so entstand das „Times Square“. Über diese Bar kann mal viel Zeitgeist und Urbanität vermitteln. Das hat der Serie neue Facetten gegeben.
Die „Rosenheim-Cops“ sind seit Jahren Quotenhits und laufen in der ZDF Access Primetime, im Nachmittagsprogramm, auf Pay-TV-Plattformen und bei Streaming-Diensten. Der Zuschauererfolg steht außer Frage. Allerdings gehen Fernsehkritiker nicht immer zimperlich gerade mit Vorabendformaten in den Öffentlich-Rechtlichen um. Hat Dich mal etwas richtig geärgert?
Es gibt immer Stimmen, die Unterhaltung als etwas Minderwertiges betrachten. Aber ehrlich gesagt stört mich das nicht. Unser Ziel ist es, ein Programm für Millionen von Menschen zu machen, nicht für Kritiker. Die Publikumsresonanz gibt uns Recht, und das ist, was zählt.
© Linda Gschwentner
Du hast eben davon gesprochen, dass es wichtig ist, die Essenz beizubehalten. Was ist die Essenz der „Rosenheim-Cops“?
Ich glaube, es ist die Verlässlichkeit. Die Zuschauer wissen, was sie bekommen, und genau das mögen sie. Trotzdem bleibt es abwechslungsreich, weil wir uns nie auf unseren Lorbeeren ausgeruht haben. Jede Figur hat eine Geschichte, die authentisch ist, und das ist es, was die Menschen jede Woche wieder einschalten lässt.
Du übergibst nun den Staffelstab an Marlies Moosauer, dieseit 2017 bei der Bavaria Fiction für „Die Rosenheim-Cops“ im Einsatz ist – zunächst als Producerin, seit August 2023 als Ausführende Produzentin. Was gibst Du ihr mit auf den Weg?
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich mir Marlies als meine Nachfolgerin gewünscht habe. Sie hat die Energie und die Leidenschaft, die Serie weiterzuführen.
Es ist wichtig, sich um jedes Detail zu kümmern, immer den Zuschauer im Blick zu behalten und das Team zu motivieren. Eine Serie wie die „Rosenheim-Cops“ zu betreuen, bedeutet, ein großes Ganzes zu orchestrieren – von den Drehbüchern über die Motive bis hin zur Besetzung. Ich bin überzeugt, dass sie das hervorragend meistern wird.
Du hast ein großes Faible für Literatur, hast mit „Im falschen Augenblick“ selbst einen Roman geschrieben, auch Boulevardkomödien stammen aus Deiner Feder.
Sind das Dinge, die Du nun in der Post-„Rosenheim-Cops“-Zeit intensiver verfolgen wirst?
Ja, das Schreiben ist eine große Leidenschaft von mir – und ich kann mir vorstellen, neue Projekte anzugehen. . Vielleicht werde ich auch als freier Produzent noch etwas tätig sein. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, nun etwas mehr Zeit für meine eigenen Ideen zu haben.
Lieber Alexander, vielen Dank für das Gespräch und alles erdenklich Gute für Zukunft!